Prof. Dr. Hans-Helmuth Gander

Fellow von Oktober 2018
bis Juli 2019

Hans-Helmuth Gander studierte Philosophie, Psychologie, Kunstgeschichte, Germanistik, Theaterwissenschaft sowie Volkswirtschaftslehre an den Universitäten Köln, Saarbrücken und Freiburg. Er wurde 1987 mit einer Arbeit zu den Voraussetzungen und Grundstrukturen von Diltheys Grundlegung der Geisteswissenschaften promoviert. Von 1987 bis 1992 war er im Rahmen der Heidegger-Gesamtausgabe Editor und Herausgeber der frühen Heidegger-Vorlesung „Grundprobleme der Phänomenologie (1919/20)“. Von 1990-1996 arbeitete er am Institut für Philosophie der Universität Stuttgart. Im Jahr 1998 habilitierte er sich mit der Untersuchung „Selbstverständnis und Lebenswelt. Grundzüge einer phänomenologischen Hermeneutik im Ausgang von Husserl und Heidegger“. 1999 übernahm Gander die kommissarische Leitung des Freiburger Husserl-Archivs, ging 2001 als Vertretungsprofessor an die Universität Tübingen. Seit 2003 ist er an der Universität Freiburg Professor für Philosophie und Direktor des Husserl-Archivs sowie seit 2009 auch Leiter des Bernhard-Waldenfels-Archivs.

Von 2010-2018 war Gander Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg. Seit 2015 ist er auch Vorstandsvorsitzender des Konfuzius-Instituts an der Universität Freiburg und seit 2016 zudem stellvertretender Vorsitzender des China Forums der Stadt Freiburg. Im Herbst 2018 wurde er zum geschäftsführenden Direktor des Forschungszentrums „Centre for Security and Society“ gewählt und ernannt. Seit 2016 ist er auch Direktoriumsmitglied der interdisziplinären trinationalen Graduiertenakademie „Security, Risk, Orientation“. Gander ist Mitglied in zahlreichen nationalen und internationalen Wissenschaftlichen Beiräten und Institutionen, u.a. der „Thales-Akademie für Wirtschaft und Philosophie“, dessen Studiengang „Wirtschaftsethik“ er in Verbindung mit der Freiburger Akademie für universitäre Weiterbildung seit 2014 als wissenschaftlicher Leiter betreut.

Neben seinen erkenntnistheoretischen und ästhetischen Forschungsinteressen im Bereich von Phänomenologie und Hermeneutik beschäftigt sich Gander mit Politischer Philosophie und Politischer Ethik. Ihn interessieren besonders die Probleme der zivilen Sicherheit im digitalen Zeitalter und die damit verbundenen Herausforderungen an eine zeitgemäße Sicherheitsethik. Im „Freiburg-PennState Collaboration Development Program“ hat er 2018 in diesem Kontext mit Oliver Müller (Freiburg) und Nicolas de Warren (PennState) das Projekt „Philosophy in the Age of New Wars“ eingeworben.

Ein weiterer Interessensschwerpunkt gilt der Ausbildung personaler Identität sowie der Erforschung von personalen Nahbeziehungen, die durch die Mitgliedschaft in den DFG-Graduiertenkollegs „Freunde, Gönner und Getreue“ (2006-2015) und „Faktuales und fiktionales Erzählen“ (seit 2011) wie auch der Mitarbeit im Beirat des Deutschen Tagebucharchivs sich vertiefte und dazu führte, dass Gander als Projekt am fiph die Ausarbeitung einer Husserl-Biographie gewählt hat.

 

Homepage: www.husserlarchiv.de

Projekt am fiph

Unterwegs zu einer Biographie Edmund Husserls

Projektziel ist die Ausarbeitung der ersten umfassenden Biographie Edmund Husserls, des Begründers der modernen Phänomenologie und einer der einflussreichsten Philosophen des 20. Jahrhunderts. Da es bislang lediglich kleinere Arbeiten oder lexikalische Kurzdarstellungen zu Husserl Leben gibt, schließt die projektierte Biographie eine Lücke sowohl in der Philosophie- wie auch in der Geistesgeschichte des 19./20. Jahrhunderts. Wie jeder Mensch – und das wäre der methodologisch hermeneutische Ansatz der projektierten Biographie –  ist auch Husserl in die Geschichte involviert durch seine Biographie, die sich ausbildet im Machtbereich historischer Ereignisse und Entwicklungen. Sie spiegeln sich in der Biographie in einer Weise, dass sie ihrerseits das Leben gravieren und darin das individuelle Profil einer Biographie produzieren, die in der reflexiven Betrachtung und darstellenden Erzählung eine jeweils bestimmte und darin prägnante Perspektive auf historische Wirklichkeiten und Entwicklungen ermöglicht.

Der Biographie geht es also nicht darum, das Werk Husserls, angereichert mit lebensgeschichtlichen Fakten und Daten, in einer Monographie der Entwicklungsgeschichte seines Denkens zu präsentieren. Wohl sollte nach der Lektüre deutlich geworden sein, warum Husserls Denken einer der bis heute wirkungsmächtigsten philosophischen Entwürfe des 20. Jahrhunderts ist, von dem sich so unterschiedliche Geister wie u.a. Heidegger, Adorno, Sartre, Levinas,  Derrida oder Blumenberg nachhaltig anregen ließen und das bis heute, wenn man die kognitionswissenschaftlichen und –psycho-logischen Debatten denkt, große Wirkung entfaltet. Dies aber soll sich in dem geplanten Buch über die in ihre Zeit hinein kontextualisierte Biographie Husserls vermitteln. Denn so originär die Husserlschen philosophischen Entwürfe in weiten Teilen erscheinen und auch sind, so antworten sie in Vielem auf Fragen und Probleme ihrer Zeit und bieten selbst dezidierte Antworten auf Husserls eigene Zeitdiagnosen, etwa wenn er die diagnostizierte Krise und Entwurzelung der Wissenschaften in der Gegenwart als Ergebnis einer fehlenden Fundierung der Wissenschaften in der menschlichen Lebenswelt begreift und mit dem technokratisch erzeugten Verlust einer Kultur der Vernunft verbindet, gegen die sich Husserl auch im Blick auf die politische Unkultur seiner Zeit im Geist der Aufklärung wendet mit der festen Überzeugung, dass die selbst leidvoll erlebte NS-Barbarei  gegenüber dem Ideal einer vernunftgeleiteten  Humanität nicht das letzte Wort haben wird. Hier lässt sich im Verhältnis zu Heidegger ein Widerstreit herausarbeiten, der einen tieferen philosophischen Grund für das auch persönliche Zerwürfnis zwischen beiden Denkern offenlegen kann. Wie sich zeigen lässt, schlägt das Verhältnis zwischen Heidegger und Husserl in der Entwicklung von 1915 bis 1938 in seinen Höhen und Tiefen ein wichtiges Kapitel auf, das sich auch aus dem historischen Kontext heraus verdeutlichen lassen muss. Da der Lebens- und Tätigkeitshorizont Husserls wesentlich von der Universität bestimmt war, muss eine Biographie diesen Horizont in besonderer Weise durchdringen. Damit präsentiert die Darstellung der Lebensgeschichte Husserls auch ein Stück weit die Entwicklungsgeschichte der Institution Universität im Zeichen der politischen Entwicklungen des 19. und 20.Jh.