Prof. Dr. Andreas Hetzel

Fellow von Januar 2011 bis Juni 2011

Von 1986 bis 1993 studierte ich Philosophie, Germanistik und Publizistik in Frankfurt am Main und Münster. Nach dem Abschluss des Studiums mit einer Magisterarbeit zu Konzeptionen ästhetischer Welterschließung habe ich von 1993 bis zum Herbst 1996 am Institut für Philosophie der TU-Chemnitz gearbeitet, davon zwei Jahre als Mitarbeiter auf einer DFG-geförderten Projektstelle zum Thema „Kultur und Macht“. 1996 wechselte ich ans Institut für Philosophie der TU Darmstadt, wo ich in den nächsten Jahren in verschiedenen Positionen tätig war, u.a. als Mitarbeiter auf einer DFG-Projektstelle zum Thema „Rhetorik und Pragmatik“(1997-1999) sowie als Postdoc-Stipendiat und Koordinator im Graduiertenkolleg „Technisierung und Gesellschaft“. In Darmstadt wurde ich 1999 mit einer kulturphilosophischen Arbeit („Zwischen Poiesis und Praxis. Elemente einer kritischen Theorie der Kultur“) promoviert und dann 2008 habilitiert. In meiner Habilitationsschrift, die Ende 2010 unter dem Titel „Die Wirksamkeit der Rede“erscheint, rekonstruiere ich das Sprachdenken der klassischen Rhetorik, um ausgehend von ihm einige essenzialistische Implikationen der nach-wittgensteinschen Sprachpragmatik zu kritisieren.

Neben der Arbeit in Darmstadt nahm ich Lehraufträge für Umweltethik in Lüneburg (2007-2008), für Philosophie in Innsbruck (2008-2009) sowie für Medienwissenschaften in Klagenfurt (2007-2010) wahr. Am Institut für Kulturforschung Heidelberg koordiniere ich seit 2008 die Arbeitsgruppe Radikale Demokratie.

Zu meinen Forschungs- und Veröffentlichungsschwerpunkten zählen Kulturphilosophie, Politische Philosophie (insbesondere Diskurse radikaler Demokratie), Sozialphilosophie (Theorien der Macht) und Sprachphilosophie. Im Kontext der Ethik befasse ich mich mit dem Verhältnis von Anerkennung und Alterität sowie mit Theorien der Gabe; in den kommenden Jahren möchte ich mich verstärkt Fragen der Umweltethik (speziell: der Biodiversitätskrise) zuwenden.

Projekt am fiph

Die Biodiversitätskrise als Herausforderung für die Umweltethik. Orientierungen aus ökologischem Nichtwissen

Die Bedrohung der Umwelt tangiert nicht nur die Überlebensmöglichkeiten und -perspektiven zukünftiger Generationen; mit unseren Eingriffen in die Ökosphäre beschneiden wir darüber hinaus auch die evolutionären Perspektiven unserer Mitgeschöpfe, der Pflanzen und Tiere. Durch Schadstoffemissionen, Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen und Übernutzung von Ökosystemen schaffen wir Risiken, deren Reichweite sich nicht absehen lässt. Die vielfältigen Bedrohungen kulminieren in einer Biodiversitätskrise, in der exponentiell ansteigenden Vernichtung der Diversität von Lebensformen. Das Projekt setzt sich zum Ziel, Einspruchspotenziale gegen die Vernichtung von Lebensräumen und Arten stark zu machen, ohne dabei den ausgetretenen Pfaden der Debatten um anthropozentrische bzw. biozentrische Begründungen der Umweltethik zu folgen.

Ausgehend von neueren umweltwissenschaftlichen Forschungsergebnissen beleuchtet das Projekt zunächst die Rolle sozioökonomischer Faktoren für die Vernichtung von biologischer Vielfalt und fragt nach der Bedeutung von Biodiversität für die Bereitstellung von Ökosystemfunktionen, von denen das Überleben menschlicher Gesellschaften abhängt. Biodiversität wird dabei als Zusammenhang von genetischer Vielfalt, Artenvielfalt und ökosystemischer Vielfalt beschrieben, der zu komplex ist, als dass verlässliche Voraussagen über die Folgen menschlicher Eingriffe in Ökosysteme gemacht werden könnten. Gerade dieses für die Ökologie und die Umweltwissenschaften konstitutive Nichtwissen soll im Projekt als mögliche normative Ressource veranschlagt werden. Aufgrund unseres ökologischen Nichtwissens gilt es, Lebewesen und ihre Assoziationsformen zu respektieren. Aus ihrer epistemologischen Entzogenheit kann eine moralische Verbindlichkeit erwachsen. Ganz unabhängig davon, ob nichtmenschlichen Akteuren bestimmte moralisch relevante Eigenschaften wie Reflexions- und Leidensfähigkeit zukommen, müssen wir Arten und Ökosystemen ein evolutives Potenzial unterstellen, dessen Ziele und Richtungen sich uns entziehen, das aber gerade deshalb unsere Achtung verdient.