Gäbe es den Feind nicht, man müsste ihn erfinden. Von Verschwörungstheorien und Antisemitismus im gegenwärtigen HipHop

  • Termin: Di., 16. Februar 2016, 19:00 Uhr
  • Leitung: Dr. Eike Brock
  • Ort: Ballhofcafé, Knochenhauerstr. 28, Hannover
Vortrag von Dr. Eike Brock (Bochum) im Rahmen der "Woche der Brüderlichkeit" 2016

„Ein philosophisches Problem hat die Form: ‚Ich kenne mich nicht aus.‘“ (Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen § 123) Dieser Satz rückt die Philosophie in eine manche Menschen überraschende Nähe zum ‚gewöhnlichen‘ Leben. Sich nicht auszukennen, ist eine Erfahrung, die Menschen alltäglich machen. Das Sich-nicht-Auskennen muss nicht immer gleich auch zu einem Problem werden. Gleichwohl muss man festhalten, dass es eine wesentliche Komponente dessen ist, was eine Krise ausmacht; sei es, dass Orientierungsverlust in die Krise führt, sei es, dass das Sich-nicht-Auskennen Kern der Krise selbst ist. Überdies verhindert es den Ausweg aus der Krise, die als solche auf eine Entscheidung drängt. Wie aber soll man sich entscheiden, wenn man sich nicht auskennt?

Die globalisierte, um den virtuellen Raum des Internets kolossal erweiterte Welt des 21. Jahrhunderts ist eine Art Labyrinth. Sie ist ein Ort, wie geschaffen, um sich nicht auszukennen. Sie ist zudem ein umkämpfter Ort. Orte, an denen Menschen sich auskennen, werden zerstört, also machen sich die Menschen massenhaft auf Reisen ins Ungewisse auf. Angesichts dieser Ausgangslage überrascht wenig, dass Verschwörungstheorien Konjunktur haben. Denn Verschwörungstheorien sind Antworten auf das Sich-nicht-Auskennen. Sie behaupten, dass es Personen und Mächte gibt, die das Schicksal der vielen Ohnmächtigen und Verlorenen lenken und den Plan des Labyrinths kennen. Auf solche Weise reimportieren sie die gleichsam metaphysische Vogelperspektive in eine Welt, deren Charakter unüberschaubar ist. Das ist ein Weg, um mit der eigenen Ohnmacht umzugehen. Es handelt sich jedoch um einen gefährlichen Weg, weil er die Welt auf äußerst fragwürdige Art und Weise in Gut und Böse unterteilt und böses Handeln perfide umetikettiert als den guten Zweck heiligende Mittel.

Beunruhigend ist die weite Verbreitung vorzüglich antisemitischer Verschwörungstheorien gerade unter jungen Menschen. Dies lässt sich unter anderem am Beispiel der globalen HipHop- bzw. Rapszene aufzeigen. Mein Vortrag bemüht sich darum, im Ausgang ausgewählter Rapsongs und -videos das Thema Verschwörungstheorien zu problematisieren und philosophisch auszudeuten.

Dr. Eike Brock ist ehemaliger fiph-Fellow und Lehrbeaufragter der Universität Bochum.

Eine Veranstaltungskooperation zwischen der Ev.-luth. Marktkirchengemeinde Hannover, der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover K.d.ö.R., dem Arbeitsfeld Kirche und Judentum im Haus kirchlicher Dienste der Ev.-luth. Landeskirche Hannover, der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Hannover e.V., dem Verein Begegnung Christen und Juden Niedersachsen e.V., dem Forschungsinstitut für Philosophie Hannover und der Stadtakademie an der Neustädter Hof- und Stadtkirche Hannover.
Eintritt: frei, Spenden erbeten